Minnesang

Aus Mittelalter-Lexikon
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Minnesang (mhd. minnesanc; das Wort erscheint erstmals in einem Alterslied Walthers v. d. Vogelweide und bezeichnet seine Liebeslyrik im Unterschied zu seiner Spruchlyrik). Vom Anfang des 12. Jh. an brachte die höfische Kultur Südfrankreichs die lyrische Kunstform des Minnelieds hervor. Von der Provence aus eroberte die neue Liebeslyrik über Nordfrankreich ganz Europa. Im deutschen Sprachraum sieht man die Frühphase ca. 1150 - 1170 im sog. Donauländischen MS (viele Dichter stammten aus dem bair.-österr. Donauraum); ihm sind die Dichter Meinloh von Sevelingen, Burggraf von Regensburg, Der Kürenberger und Dietmar von Aist zuzuordnen. Charakteristisch ist die Schilderung naturhafter, handfester Liebe, von Liebessehnsucht und -werben, von Eroberung und Liebesfreuden, von Zurückweisung und Trennung.
Aus der Frühphase der Minnedichtung stammt das anonyme Gedicht (um 1150):

Du bist min, ih bin din:
des solt du gewis sin.
du bist beslozzen
in minem herzen:
verlorn ist daz slüzzelin:
du muost ouch immer drinne sin.

Die Lieder dieser Epoche atmen frische, unmittelbare Empfindung, Mann und Frau begegnen sich auf gleicher Stufe, gelegentlich wird der Frau sogar der aktiv-werbende Part zugeschrieben. Die Lieder waren durch die verwendeten Langzeilen der epischen Dichtung ähnlich, wie das folgende Beispiel aus dem "Falkenlied" des Kürenbergers zeigt:

Ich zog mir einen falken mere danne ein jar.
do ich in gezamete als ich in wolte han
und ich im sin gevidere mit golde wol bewant
er huop sich uf vil hohe und flog in anderiu lant.
.....

Es folgte die erste Hochphase, der sog. Rheinische MS (1170 - 1190), angesiedelt im Umkreis des staufischen Hofes. Hierher werden u.a. gezählt: Friedrich von Hausen, Heinrich von Rugge, Bligger von Steinach, Bernger von Horheim und Heinrich von Veldeke. Nunmehr erscheinen formale und motivliche Einflüsse der Trobadors- und Trouvèrelyrik. Leitmotive sind Hohe Minne und entsagungsbereiter Dienst.
Der zweiten Hochphase oder hochhöfischen Phase (1190 - 1220) werden zugerechnet: Heinrich von Morungen, Hartmann von Aue, Reinmar von Hagenau, Wolfram von Eschenbach und Walther von der Vogelweide. Die hochhöfische Phase gilt als virtuose Steigerung des Rheinischen MS. Motiv- und Themenbestand werden erweitert. Der hochhöfische MS. ist inhaltlich von der idealistisch überhöhten, realitätsfern-abstrakten Hohen Minne bestimmt, formal durch die Ablösung der Langzeile durch den Vierheber oder den Zehn- bzw. Elfsilber. Aus der ersten Strophe eines Lieds von Reinmar von Hagenau:

Ich wirbe um allez daz ein man
ze wereltlichen froiden iemer haben sol.
daz ist ein wip der ich enkan
nach ir vil grozen werdekeit gesprechen wol.
.....

Ich werbe um alles (das Höchste), das ein Mann
an weltlichen Freuden immer (jemals) haben soll (kann).
das ist eine Frau, von der ich nicht kann (vermag)
entsprechend ihrer übergroßen Würde Lob zu sprechen.
.....

Gegen Ende der hochhöfischen Phase artikuliert sich eine Reaktion, der sog. Gegensang. Die manieristisch übersteigerte Hohe Minne erfährt eine Persiflierung durch Neidhards dörperliche Zerrbilder höfischen Betragens. Stilistisch wurden die überkommenen Muster weiterverwendet, teils auch durch artistisches Raffinement verdorben. Blieb die hohe frouwe des Minnesangs stets ungenannt, so dichtete Oswalt von Wolkenstein einen Wechselgesang mit seiner Ehefrau, seinem Gredelein:

"Simm Gredlin, Gret, mein Gredelein,
mein zarter bül, herz lieb gemait,
dein züchtlich er an mir nicht weich!"
"Halt wie es get, mein Öselein,
inn deiner schül treu stetikait,
die wil ich leren ewikleich."
.....

"Ei Gredlin, Gret, mein Gredelein,
meine zarte Buhlin, herzliebes Mädchen,
deine züchtige Ehre möge mir nicht weichen."
"Wie es halt geht, mein Öselein,
in deiner Schule (die) treue Stetigkeit,
die will ich lernen ewiglich."
.....

Die späthöfische Phase des Minnesangs (1220 - 1450) zeichnet sich aus durch stärkere Realistik, Hinwendung zur erfüllten Liebe und durch neue Formen: es erscheinen Herbst-, Ernte-, Tanz- und Trinklieder, breiter, tiefempfundener Natureingang und Refrain. Hierher gehören Steinmar von Klingnau, Hadloub, Konrad von Würzburg, Gottfried von Neifen, Ulrich von Winterstetten, Ulrich von Liechtenstein, Tannhäuser und Oswalt von Wolkenstein.
In der Regel stammen Reim und Musik vom gleichen Sänger (s. Ton). Der solistische Gesang wird von Fiedel oder Harfe im Einklang begleitet. Kleine instrumentale Vor-, Zwischen- und Nachspiele kommen vor. Während der Spätzeit des Minnesangs kommen polyphone Liedformen auf.

(s. Alba (Lyr.), Gegensang, Sommerlied, Tagelied, Winterlied)